Es gibt eine Bewegung, die nie zum Stillstand kommt. Eine endlose Dynamik, die aus sich selbst heraus Kraft schöpft. Kein reales Perpetuum Mobile – das hat die Physik längst ausgeschlossen –, sondern ein digitales: Social Media.
Die Grundregel ist simpel und brutal ehrlich: Ich poste, damit du reagierst. Du reagierst, damit du sichtbar bleibst. Ich reagiere zurück – nicht aus Interesse, sondern aus Pflichtbewusstsein gegenüber dem Algorithmus. Sichtbarkeit ist die neue Währung, und Interaktion deren Zinssystem. Echtes Interesse? Austausch? Erkenntnis? Schön wär’s.
In dieser Welt ist alles Interaktion – aber nichts ist Dialog.
Die Logik dahinter ist perfide in ihrer Effizienz. Jeder Like, jeder Kommentar, jede Story-Reaktion zahlt nicht in eine Beziehung ein, sondern in ein System. Ein System, das sich nicht für Inhalte interessiert, sondern für Bewegungen. Hauptsache, es tut sich etwas. Hauptsache, die Maschine läuft.
Was wir heute auf Social Media sehen, ist selten das Ergebnis von Kommunikationslust. Es ist das Produkt strategischer Sichtbarkeitsmaximierung. Jeder ist Sender. Jeder ist Empfänger. Und doch hört niemand zu. Der Feed ist voll, aber leer. Die Kommentarspalten lang, aber belanglos.
Es geht nicht mehr darum, eine gute Geschichte zu erzählen, sondern um die richtige Anzahl Emojis, die passende Hookline, den cleveren Hashtag. Content wird nicht mehr geteilt, weil er bewegt – sondern weil Teilen selbst zum Selbstzweck, zur Bewegung gehört.
Das Ergebnis? Eine kollektive Überreizung haufenweise Content ohne Content.
Und hier liegt der paradoxe Kern des Social-Media-Perpetuum-Mobile: Es funktioniert nur, weil wir mitspielen. Nicht aus Täuschung, sondern aus Kalkül. Wir wissen, dass unser Like nichts mit Zustimmung zu tun hat. Dass unsere Kommentare nicht aus echtem Interesse entstehen. Und trotzdem schreiben wir sie – höflich, knapp, funktional: «Toll!», «Mega schön», «Love it». Alles kleine Zahnräder in der grossen Maschine.
Diese neue Form von Aufrichtigkeit ist nicht mehr emotional, sondern strategisch. Und das ist vielleicht die ehrlichste Form von Kommunikation, die wir je hatten: Jeder weiss, warum er hier ist. Und keiner behauptet etwas anderes.
Vielleicht ist das nicht schlecht. Vielleicht ist Social Media genau das, was es sein will: ein Marktplatz der Aufmerksamkeit, nicht der Empathie. Ein Ort, an dem Sichtbarkeit alles ist – und Echtheit optional. Vielleicht müssen wir aufhören, Social Media mit echten Gesprächen zu verwechseln. Und anfangen, es als das zu sehen, was es ist: ein perpetuierender [sagt man das so?] Kreislauf aus Geben und Fordern, aus Zeigen und Warten, aus Pushen und Gesehenwerden.
Oder anders gesagt: ein Perpetuum Mobile, das nicht stehenbleibt – solange wir es füttern.