Corporate Design steht heute unter Druck. Nicht wegen mangelnder Kreativität – sondern wegen zunehmender Komplexität: Unternehmen bewegen sich über Dutzende von Medien, Devices, Schnittstellen und Kanäle hinweg. Was gestern noch in einem Manual auf 30 Seiten geregelt war, zerfliesst heute in einem digitalen Ökosystem mit unzähligen Touchpoints – von Landingpages über Social Ads bis hin zu Microinteractions im App-UI.
Die alten Modelle mit pixelgenauer Vermaßung, starren Farbdefinitionen und exakter Logoplatzierung greifen nicht mehr.
Was gefragt ist: ein generisches Designsystem, das Adaption zulässt, ohne die visuelle Identität und Wiedererkennbarkeit zu verlieren.
Was bedeutet „Generic Design“ im Kontext von Corporate Design?
„Generic“ meint hier nicht beliebig oder gar zufällig. Im Gegenteil.
Ein generisches Corporate Design abstrahiert die Marke so weit, dass ihre Essenz in Prinzipien gegossen werden kann, nicht in Formate. Es definiert Regeln, nicht Raster. Systeme, nicht Stile.
Statt starre Layoutvorgaben zu liefern, vermittelt ein generisches Designsystem Gestaltungslogik, Tonalität und Verhalten. Damit wird das Design anschlussfähig für verschiedenste Anwendungen, ohne jedes Mal neu erdacht werden zu müssen.
Der Spagat zwischen Flexibilität und Konsistenz
Die grösste Herausforderung liegt im Gleichgewicht:
Wie lässt sich eine starke visuelle Identität schaffen, die konsequent wirkt, aber nicht rigide ist?
Wie lassen sich Gestaltungselemente entwickeln, die sich dynamisch skalieren lassen, ohne ins Austauschbare abzurutschen?
Das verlangt ein Umdenken:
– vom fixen CI-Manual zum dynamischen Designsystem
– vom Stylen einzelner Touchpoints zur Definition von Prinzipien
– von der reinen Gestaltung zur Designarchitektur
Kontextimmanentes Design: Differenz durch Relevanz
Ein zentrales Qualitätsmerkmal von generischem Design ist seine Kontextsensibilität. Es genügt nicht, dass Gestaltung „überall funktioniert“. Sie muss überall passend funktionieren.
Genau hier kommt das Prinzip des kontextimmanenten Designs ins Spiel:
Ein Designsystem, das nicht rigide von oben durchgezogen wird, sondern sich aus dem jeweiligen Anwendungskontext heraus sinnvoll variiert – ohne an Markenprägnanz zu verlieren.
Ob Social Media, Packaging oder Voice Interface – jede Plattform bringt eigene Anforderungen an Lesbarkeit, Tonalität, Tempo und Interaktion mit sich. Ein kontextimmanentes Design berücksichtigt diese Unterschiede proaktiv und schafft Gestaltungsfreiheit innerhalb der Marke.
Es ermöglicht:
– relevante Variation statt Beliebigkeit
– differenzierte Gestaltung ohne Brüche
– Flexibilität, die auf Klarheit basiert
In einer Zeit, in der Marken gleichzeitig in Storys, Slides, Smartwatches und Spaces erscheinen, ist Kontextimmanenz kein „Nice to have“ – sondern das Fundament für glaubwürdige visuelle Kommunikation.
Beispiele für generische Markenlogik
– Typografische Systeme, die weniger auf einzelne Typen und Schnitte setzen, sondern auf Hierarchie und Rhythmus.
– Farbpaletten, die mit semantischer Kodierung arbeiten statt mit fixen Prozentwerten.
– Logikbasierte Layouts, die sich nach Device, Kontext oder Contentgewichtung richten.
– Motion Design, das Verhalten statt Formen definiert: Wie anstelle von Was.
Wandel in der Rolle von Designern
Gestalter und Kreativteams entwickeln sich zu Systemarchitekten: Ihre Aufgabe ist es nicht mehr nur, den schönsten Post zu gestalten, sondern die Gestaltungsintelligenz zu definieren, die andere befähigt, konsistent zu gestalten.
In grossen Organisationen bedeutet das oft: Modularisierung, [Achtung, Fachchinesisch] Tokenisierung, dokumentierte Designentscheidungen und nicht mehr nur Intuition und Stilgefühl.
Die Angst vor der Beliebigkeit und wie man ihr begegnet
Ein berechtigter Einwand: Wird durch die generische Herangehensweise nicht alles generisch im Sinne von belanglos?
Nur, wenn die gestalterische Kernidee schwach ist.
Wer auf Prinzipienebene keine starke Marke formulieren kann, wird mit generischem Design untergehen. Wer es hingegen schafft, klare Designwerte (nicht nur -elemente) zu kommunizieren, kann eine extreme Bandbreite bespielen – ohne erkennbar inkonsistent zu werden.
Also: Generic Design bedeutet nicht Kompromiss, sondern ist eine Notwendigkeit
In einer Welt, in der Corporate Designs über Packaging, Print, Web, Mobile, Voice, AR, Touchscreens und IoT hinweg funktionieren müssen, braucht es intelligente Designsysteme statt starre Regeln.
Generic Design ist keine Aufweichung von Gestaltung – es ist eine neue Form von Klarheit: funktional, dynamisch, identitätsstiftend.